Anlässlich des Tages der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2009 erklärt der Bundestagsabgeordnete Karl Schiewerling (CDU):
Zum 19. Mal jährt sich am 3. Oktober diesen Jahres der Tag der Deutschen Einheit. Vor 20 Jahren - am 09. November 1989 - fiel Dank der friedlichen Revolution in der DDR sowie dank der politischen Umbrüche in Polen, Ungarn, in der Tschechoslowakei und in anderen Ländern die Mauer. Die Menschen sehnten sich nach Freiheit. Deutschland wurde friedlich wiedervereint. Ein Glückfall der deutschen Geschichte und immer noch Grund zum Dank. Denn für die Bürger der DDR markierte der Fall der Mauer auch sichtbar das nahende Ende des dortigen Unrechtsregimes und die gleichzeitige Erlangung ihrer ganz persönlichen Freiheit. Freiheit ist ein Wert, den oft nur diejenigen ermessen können, die eben die Freiheit nicht haben. Untrennbar zur Freiheit gehört indes auch Verantwortung. Verantwortung im freiheitlichen Handeln und Selbstverantwortung mit ihren Chancen und Anforderungen für den einzelnen.
Die Menschen in der damaligen DDR haben die Freiheit gewählt. Der Einstieg in diese neue Freiheit ist ihnen erleichtert worden durch vielfältige Unterstützung. Unsere Städtepartnerschaften gehören dazu. Daraus sind oft Freundschaften entstanden, die bis heute halten. Bis heute können wir voneinander lernen. Dabei gilt auch nach 19 Jahren weiterhin der Auftrag, die innere Einheit Deutschlands zu vollenden.
Auch wenn diese Deutsche. Einheit in vielen Bereichen schon vollendet ist, so ist die Deutsche Wiedervereinigung auch heute noch immer ein Prozess. Die in der Zeit der Trennung gewachsenen Unterschiede sind heute noch in manchen Bereichen deutlich spürbar. Beispielhaft möchte ich dafür die Bürgergesellschaft in Form von Verbänden, Vereinen und freiwilligen Initiativen nennen. Dort, wo diese Form der Bürgergesellschaft nicht bestand und auch heute nicht besteht, geht es den Menschen auch schlechter. Dort fehlt dieses soziale Netz bürgerschaftlichen Engagements, das auch in Krisenzeiten tragen kann. Wo es keine Traditionen gibt zum freiwilligen Engagement, können diese auch nicht erzwungen werden. Sie müssen wachsen. Auch und gerade in den Regionen der alten DDR, auch das ist dann ein Stück neue Einheit.
Unsere Region ist ein gutes Beispiel dafür, wie diese Form der Bürgergesellschaft funktionieren kann. Auf der Basis unserer gelebten und bewährten christlichen Werte und Normen sowie auch der kirchlichen Verantwortung, auf Basis unserer besonderen Kultur des Münsterlandes, und auf der Basis unseres gesellschaftlichen Konsenses für Freiheit und Verantwortung. Wir haben hier die Freiheit und die Chance gehabt und ergriffen, uns dahin zu entwickeln. Wir sollten mithelfen, dass im Prozess der Vereinigung auch anderen Regionen die Chance einer engagierten Bürgergesellschaft mit Verbänden, Vereinen und Initiativen verwirklichen können.
Alle Gespräche miteinander sind bereichernd, eröffnen Horizonte und schaffen Verständnis für einander In dieser Hinsicht ist in Deutschland vieles zusammengewachsen. 20 Jahre nach der formalen Wiedervereinigung sind gemeinsame Begegnung und das Gespräch unerlässlich für die weitere Vertiefung des Verständnisses der Lebens- und der Erfahrungswelt.
Wir haben gedacht, nach 20 Jahren würde sich vieles angleichen. Die jungen Menschen, die nun 20 Jahre alt sind, haben nur die Freiheit kennensgelernt, und dennoch bekommen auch viele von ihnen die Traditionen aus ihren Familien mit auf den Weg. Das gilt für West wie für Ost. – auch, wenn Internet und Handy mit SMS und MMS wie selbstverständlich von allen genutzt werden. Gewachsene traditionelle Vorstellungen, die Kindern und Jugendlichen mit auf den Weg gegeben werden, prägen unsere Jugend nachhaltig. Auch das gilt für Ost wie für West. Hier tragen Familien eine große Verantwortung ihren Kindern gegenüber.
Es gehört zu ihrem Erziehungsauftrag, der Jugend Verständnis für die Situation in Deutschland mit auf den Weg zu geben. Erziehung eben auch zum Bewusstsein darüber, was Freiheit, gegenseitige Verantwortung und Selbstverantwortung bedeuten und welche Wert diese Begriffe für das ganze Leben haben. Gerade für ein Leben im vereinten Deutschland und geeinten Europa.