Nordkirchen: Dr. Wolfgang Erfeld, Geschäftsführer der Kinderheilstätte, informierte die Mitglieder im CDU- Arbeitskreis Zukunft der Pflege über die Entwicklung der Behindertenhilfe im Kreis Coesfeld.
Im Zuge der Industrialisierung und der damit verbundenen sozialen Umwälzung entstanden in der Mitte des 19.Jahrhunderts die ersten katholischen Anstalten für geistigbehinderte Menschen, quasi als „Produkt der katholischen Soziallehre“, so Dr. Erfeld. Wie bei der Sorge um kranke Menschen waren es anfangs insbesondere Ordensleute, die sich um „Irre, Idioten, Krüppel“ – und wie auch immer diese Menschen bezeichnet wurden, kümmerten.. In „klösterlicher Abgeschiedenheit“, häufig weit vor den Toren der Städte und Gemeinden, boten sie den Behinderten ein Zuhause und einen geschützten Lebensraum. So entstanden im landwirtschaftlich geprägten Münsterland die Anstalten Haus Hall in Gescher (1855), Stift Tilbeck in Havixbeck (1881), Alexianer Krankenhaus in MS-Amelsbüren (ca. 1880), Anna Katharinen Stift Karthaus (um 1925). In den Ballungsräumen des Ruhrgebietes war hierfür kein Platz.
In der Nazidiktatur gab es gerade auch für behinderte Menschen viel Unrecht und Unheil. Viele wurden im Rahmen des Euthanasie-Programms ermordet. Die Folge war, dass es nach dem Krieg wenig ältere Behinderte gab. Dies hat sich inzwischen geändert, so Erfeld. „Seniorengerechte Wohnformen und Einrichtungen für behinderte Senioren und auch für pflegebedürftige behinderte Menschen sowie medizinische Fragen müssen stärker als bisher thematisiert und entsprechende Projekte in Angriff genommen werden!“ forderte Pflegedirektorin Maria Weiling.
Mit dem Bundessozialhilfegesetz 1962 wurde ein Paradigmenwechsel vorgenommen: Von der staatlichen Fürsorge hin zum Recht auf Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben.
Seit 1975 besteht in NRW auch für behinderte Kinder und Jugendliche die Schulpflicht. Diese wird in den nach neuem Schulgesetz als Förderschulen bezeichneten Einrichtungen erfüllt.. Nach Beendigung der Schulpflicht beginnt auch für die behinderten jungen Menschen die Arbeitswelt. Viele von ihnen arbeiten dann in Werkstätten für behinderte Menschen, während sie entweder zu Hause bei ihren Familien oder in Wohnstätten wohnen. „Lösungen bei der Schnittstellenproblematik im Bereich von Jugendhilfe und Behindertenhilfe müssen gefunden und umgesetzt werden!“, machte CDA Kreisvorsitzender Roland Hericks auf das Problem der unterschiedlichen Kostenträger aufmerksam; das gleiche gilt für die Finanzierung von ambulanten und stationären Hilfen.
Anni Willms fasste das Ergebnis der anschließenden Diskussion zusammen: Die Entwicklung der Behindertenhilfe im Kreis Coesfeld wird positiv bewertet. Aus der Erkenntnis, dass auch behinderte Menschen oft keine „Rundumversorgung“ benötigen, nehmen ambulante betreute Wohnangebote auch im Kreis Coesfeld zu. Behinderte Menschen vermissen hierbei jedoch oft Angebote und soziale Kontakte in der Freizeit, die in der stationären Einrichtung zum Standard gehörten. Ambulante und teilstationäre Angebote wie z.B. das Kurzzeitwohnen müssen stärker ausgebaut und Familien durch entsprechende Angebote noch stärker entlastet werden. Dies wird nur gelingen, wenn auch die Finanzierung dieser Hilfen durch die Kostenträger gesichert ist. Die ambulante Betreuung darf keine Sparversion der stationären Betreuung werden!“ unterstützte der Arbeitskreis, die von Dr. Erfeld vorgetragene Forderung.